Interviews Interview mit Senior Colorist Felix Hüsken: Grading-Workflows, Farbkonzepte, LUTs, Traumberuf Colorist uvm.

Interview mit Senior Colorist Felix Hüsken: Grading-Workflows, Farbkonzepte, LUTs, Traumberuf Colorist uvm.

Felix Hüsken ist langjähriger Senior Colorist aus Köln. Seine Grading- und Postproduktions-Expertise hat er in vielen internationalen Kino- und TV-Produktionen, sowie jüngst bei dem in Cannes prämierten "In my Room" eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wir haben mit Felix über seinen beruflichen Werdegang, professionelle Grading-Workflows, seine Herangehensweise an Farbkonzepte uvm. befragt.

// 11:58 Do, 26. Jul 2018von

Felix Hüsken ist langjähriger Senior Colorist aus Köln. Seine Grading- und Postproduktions-Expertise hat er in vielen internationalen Kino- und TV-Produktionen, sowie jüngst bei dem in Cannes prämierten „In my Room“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Wir haben mit Felix über seinen beruflichen Werdegang, professionelle Grading-Workflows, seine Herangehensweise an Farbkonzepte uvm. befragt.


Herausgekommen ist ein spannendes Interview, das sowohl für angehende Filmemacher als auch für alle an Farbkorrektur Interessierten Einblicke in das aktuelle Arbeitsumfeld eines professionellen Coloristen bietet.



Felix Huesken an seinem Arbeitsplatz - hier am zusammen mit Farbkult entwickelten, ergonomischen Grading Schreibtisch
Felix Huesken an seinem Arbeitsplatz - hier am zusammen mit Farbkult entwickelten, ergonomischen Grading Schreibtisch


Felix Hüsken ist Mitglied der German Society of Cinematographers (BVK) sowie der Colorist Society International (CSI). Er bietet darüber hinaus als Inhaber der Display Calibration Certification professionelle Display Kallibrierungs-Dienste sowie Workshops für angehende Coloristen an, z.B. bei UP.GRADE an der DFFB in Berlin.



Du hast bei einem slashCAM Filmwettbewerb als Student teilgenommen und den dritten Platz gemacht - mittlerweile gradest du Spielfilme die erfolgreich in Cannes laufen: Wie bist du Colorist geworden?


Nach meinem Designstudium wollte ich anfänglich in die Produktion und habe dort in Köln angefangen zu arbeiten. Mir fehlte aber nach einiger Zeit die künstlerisch-kreative Herausforderung weswegen ich ins Motion Design und 3D Compositing gewechselt habe, was näher an meinem vorherigen Studieninteresse lag. Hier half mir dann meine Produktions- und Projektmanagementerfahrung, weil sie mir einen guten Überblick über die Gewerke und Abläufe außerhalb meines Tätigkeitsfeld als Artist gab.


Color Grading war damals noch sehr exklusiv, d.h. man kam als Privatanwender kaum an professionelle Software/Hardware dafür heran. Hier hatte ich Glück an die Firma Farbkult in Köln zu gelangen, wo ich in der Kinosuite üben konnte und auch dem Senior Colorist Dirk Meier zuarbeiten und über die Schulter schauen durfte. Irgendwann gab es für mich dort kleinere Gradingjobs und Low-Budget Kinofilme und dann nahm alles seinen Lauf. Also ein ganz klassischer Werdegang, bei dem man direkt professionelle Workflows lernt und sich nicht komplett autodidaktisch irgendetwas aneignet, was evtl. gar nicht in eine große Produktion passt. Heute arbeite ich vorwiegend als Colorist für Filme mit Kinoauswertung, wobei TV immer mehr kommt und das Grading von “Bad Banks” letztes Jahr sehr viel Spaß gemacht hat.


Felix Hüsken beim Calibration Workshop bei UP.GRADE in Berlin
Felix Hüsken beim Calibration Workshop bei UP.GRADE in Berlin

Du zeichnest als Colorist bei erfolgreichen Filmen wie “Paula” von Christian Schwochow und jetzt “In my Room” von Ulrich Köhler federführend verantwortlich: Kannst du kurz deinen Workflow bei solchen Produktionen skizzieren?


Normalerweise läuft es so ab, dass es vor Drehbeginn schon Post-Production Meetings gibt, bei denen ich anwesend bin um die Bildworkflows mit allen anderen Ansprechpartnern zu erarbeiten. Dann gibt es ein oder mehrere Testdrehs um Kamera, Licht, Szenenbild, Kostüm, etc. zu beurteilen. Mit Hilfe dieser Aufnahmen entwickle ich zusammen mit dem/der DOP eine digitale Bildtransformation für die Kameradaten, einen „Look“, der z.B. als LUT auf die Kamera gespielt wird und als Basis für die Mustergradings am Set gilt. Während des Drehs stehe ich weiter als Berater zur Verfügung. Wenn der Film irgendwann fertig ist, geht es ans finale Grading, wo der Basislook ggf. nochmals justiert wird und die Grundlage für alle weiteren Gradingprozesse bildet.





Wie gehst du an Farbkonzepte beim Film heran?


Nach der Vorproduktion gibt es bei Kamera und Regie schon Farbkonzepte. Diese begutachten wir in ihrer Umsetzung bei der Analyse der Testaufnahmen und überlegen uns wie man damit konkret im Grading umgeht. Es gibt Sachen die sich schöner vor der Kamera lösen lassen (z.B. die generelle Farb- und Oberflächengestaltung der Sets, Licht-Kontrastverältnisse, Kameraoptiken und -filter, etc.) und welche die man gut digital nachbearbeiten kann (z.B. Displaybezogene Parameter wie Schwarz- und Weißwerte, Angleichung von Farben, gezielte Verfälschung als Effekt, Filmkorn, etc.). Wenn die Szenerie vor der Kamera bzgl. Licht, Szenenbild & Co. stimmig ist und gezielt belichtet aufgezeichnet wurde, beinhalten die Bilder somit schon einen konkreten „Look“, den wir im Grading mit digitalen Mitteln verstärken oder weiter ausarbeiten. Es gibt hier also ein wichtiges Zusammenspiel zwischen der Welt vor der Kamera und dem nachträglichen Color Grading. Ein „Look“ wird normalerweise nicht einfach in der Post-Produktion aufgesetzt, sondern wird schon in der Pre-Produktion geplant. Die genaue Nachbearbeitung der Kameradaten im Grading ist bis auf ein paar technische Einschränkungen Geschmacksache, richtet sich aber natürlich oft nach inhaltlichen Vorkommnissen der Szenen, um deren Stimmungen visuell effektiver zu transportieren.



Was macht die Hauptarbeit einen Coloristen bei entsprechenden Produktionen aus und inwiefern unterscheidet sich dieser Alltag vlt. auch vom „Traumberuf“ Colorist in den Köpfen angehender Filmschaffender?


Viele Leute denken dass man als Colorist den ganzen Tag entspannt nur schöne Farben zaubert. Das ist aber natürlich nicht so. Die Lookentwicklung ist meist nur ein kleiner Teil von einem Projekt. Wenn man nach Meetings, Beratungssessions und Projektmanagement irgendwann im finalen Grading sitzt, muss man den Look auf alle Schnitte im Film anwenden, die Schnitte farblich angleichen, Masken zeichnen und tracken, Keys anlegen, Ordnung halten, mit Teammitgliedern kommunizieren, etc. Und das natürlich alles live, während die Kunden neben einem sitzen. Manchmal kennt man die Personen vorher auch gar nicht, je nachdem um was für ein Projekt es sich handelt. Man sitzt dann aber acht Stunden pro Tag, mehrere Tage lang zusammen und muss miteinander klar kommen.


Einfühlungsvermögen ist also auch sehr wichtig, neben dem ganzen kreativen und technischen Know-how. Dazu kommt noch absolute Konzentrationsfähigkeit und ggf. Stressresistenz. Die verfügbare Gradingzeit kann man sich nämlich normalerweise nicht aussuchen. Für einen TV Spielfilm mit 90 min Laufzeit und 1600 Schnitten werden in Deutschland z.B. häufig nur noch drei Tage Grading veranschlagt. Das muss man dann schon gewissenhaft mit einem Plan angehen und ganz klar Prioritäten setzen. Viel Zeit für die “schönen Farben” hat man da nicht.


Als Colorist sitzt man natürlich auch immer im Dunkeln. Gerade im Winter sieht man dadurch nur wenig Tageslicht.



LUT-Workflows - welche Workflows haben sich etabliert und wie wichtig sind LUTs für die Herausarbeitung eines individuellen Looks


Die LUT an sich ist erstmal nur eine ganz rudimentäre Tabelle die Farbwerte neu zuordnet und das hat mit der Gestaltung eines Looks gar nichts zu tun. Man kann den Look - also dessen Farbtransformation - aber ggf. als eine LUT abspeichern und sehr einfach software- und hardwareübergeifend weitergeben. Z.B. an die VFX Abteilung, ans Set zur Vorschau des Looks direkt in der Kamera oder als schnelle Konvertierung des Kameramaterials in einen Zielfarbraum. Ich bin bzgl. der Nutzung von LUTs ganz offen und verwende sie wenn es Sinn macht.


Wichtig ist nur dass die LUT immer funktioniert wenn sie eingesetzt wird, denn sie ist starr und man kann schlecht Eingriff nehmen wenn die Transformation einmal kein schönes Bild liefert. Hier muss man speziell bei extern gekauften LUTs aufpassen, weil man eben nicht weiß was genau drin steckt ohne sie ausgiebig zu testen.



Komplexe Node-Strukturen vs einfache Nodes: Woran erkennt man den erfahrenen Coloristen?


Prinzipiell richtet sich die Komplexität der Node- oder Layerstruktur nach den Anforderungen des Projekts. Wenn ich Gradingworkshops gebe, sehe ich aber oft dass Neueinsteiger dazu neigen, zu komplizierte und ungeplante Strukturen zu entwerfen und alle möglichen Features im Verlauf des Gradings irgendwie zusammen zu werfen, weil es die Software eben möglich macht. Das ist natürlich schlechte Form und funktioniert bei großen Projekten auch nicht. Z.B. weil man kollaborativ arbeitet und andere Leute die Struktur jederzeit schnell verstehen können müssen oder weil man bei tausenden von Shots irgendwann selbst einfach die Übersicht verliert.


Gradingstrukturen in Resolve und Baselight
Gradingstrukturen in Resolve und Baselight

Außerdem will man die Farbveränderungen auch möglichst schnell und intuitiv für jeden Shot vornehmen, was nicht geht wenn an allen Ecken das Signal auf andere Weise verdreht wird. Ich baue mir prinzipiell für jeden Film eine neue individuelle Gradingstruktur nach bestimmten Kriterien.



Kannst du überhaupt noch das Thema „Orange-Teal“ hören?




Klar, so oft fallen die Worte konkret auch gar nicht im Grading. Es ist wichtig, populäre Looks zu verstehen und dieses Wissen dann gezielt einzusetzen. Orange Teal ist dabei ein sehr natürlich motivierter Look, den man dann beliebig ausarbeiten und verstärken kann, wenn die Szenerie vor der Kamera mitspielt. Ein Allheilmittel, oder gar die erste Wahl, ist es aber nicht.



Was rätst du angehenden Coloristen und was sind die wichtigsten Eigenschaften eines Top-Coloristen um erfolgreich zu sein?


Man sollte schauen dass man schnellstmöglich Workflows beigebracht bekommt die in der Branche etabliert sind. Viele Einsteiger haben das Problem dass sie durch das autodidaktische Lernen mit Hilfe von YouTube Tutorials und Online Foren nur ein sehr fragmentiertes Wissen vermittelt bekommen haben, welches sie dann nicht zu einem effizienten Gesamtkonzept vereinen können. Deshalb auch die große Nachfrage an Workshops.


Wichtige Eigenschaften sind Konzentrationsfähigkeit, Gewissenhaftigkeit und natürlich die schon erwähnte Sozialkompetenz. Software und Hardware zu lernen ist einfach wenn man Zugang dazu hat und auch den Blick für Farben kann man schulen. Das braucht aber natürlich ein Trainingskonzept und Zeit.


Man sollte sich auch immer darüber im Klaren sein dass man als Colorist/in die letzte Person ist, die die Bilder in voller Qualität sieht und nachbearbeitet, bevor der Film veröffentlicht wird. Das ist eine enorme Verantwortung, da nicht nur viel Geld für diese Bilder investiert wurde, sondern auch viele Menschen, oft über Jahre hinweg, hart gearbeitet haben um diese Bilder so zu erschaffen. Auch wenn man mit diesen Menschen oft nicht direkt zu tun hat, sollte man sich neben ihnen als Teammitglied verstehen.



Felix, vielen Dank für dieses Gespräch.


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